Anhörung zu Long COVID im US Senat

Am 18. Januar 2023 fand im Senat der Vereinigten Staaten eine Anhörung zu Long COVID statt. Unter der Leitung von Bernie Sanders sowie des Ranking Members Bill Cassidy kamen betroffene Personen und Forscher:innen im Ausschuss für Gesundheit, Bildung, Arbeit und Renten zu Wort. Die Videos dazu liegen auf der Seite „Addressing Long COVID: Advancing Research and Improving Patient Care„.

Ich habe versucht, einige Aspekte aufzuschreiben. Dabei können mir natürlich Fehler unterlaufen sein. Auf der obigen Seite gibt es ein Video, was ihr gern nachhören könnt.

Die Senatoren Cassidy (li.) und Sanders bei der Anhörung.

Zu Beginn machte Sanders klar, dass es sich hier um eine ernste Angelegenheit handelt. In den USA sind etwa 16 Millionen Menschen betroffen. Dabei sind solche mit niedrigem Einkommen und People of Color häufiger betroffen. Mehr als vier Millionen Menschen sind „out of work“ und er ging von einem Schaden in Höhe von 170 Milliarden US-Dollar aus.

Sein republikanischer Kollege Cassidy betonte, dass die USA schon mehr als eine Milliarde für Forschung ausgegeben haben und das Thema ernst nehmen.

Anhörung der betroffenen Personen

Nach der Einleitung sprachen drei Frauen.

  • Angela Meriquez Vázquez
  • Rachel Beale
  • Nicole Heim

Die beiden Erstgenannten sind selbst von Long- bzw. Post-COVID betroffen. Frau Heim war als Mutter einer betroffenen Tochter vor Ort.

Krankheitsbilder

Frau Vázquez war schon im März 2020 positiv. Ihre Erkrankung verschlimmerte sich über die Zeit immer mehr und seit nunmher fast vier Jahren leidet sie daran. Im Oktober 2023 wurde der Podcast „The Long Haul of Long Covid — ITT Episode 19“ ausgestrahlt. Dort erzählt etwas mehr über ihre Situation. Sie hat eine Krankenversicherung und dennoch mehr als 4.000 US-Dollar für Behandlungen ausgegeben, die die Krankenkasse nicht tragen wollte. Die Erkrankung bei Rachel Beale startete im März 2021 und äußerte sich durch Fieber und Schmerzen. Mittlerweile hat sich ihre Lage auch verschlimmert. Sie hat eine Fibromyalgie entwickelt, hat Fatigue, Schmerzen und Belastungsintoleranz (PEM). Bezüglich der Kosten und des zeitlichen Aufwands machte sie ähnliche Erfahrungen. Schließlich erzählte Nicole Heim von der Erkrankung ihrer Tochter. Im September 2021 infizierte sie sich.Als sie dann wieder in der Schule war, rief diese die Mutter an, weil die Tochter kurzatmig war und einen extrem hohen Puls hatte. Frau Heim fand es gut, dass ihre Tochter im Medicaid-Programm ist. Dadurch gab es bei ihr keine finanziellen Probleme. Im allgemeinen gibt es Untersuchungen, die annehmen, dass die jährlichen Kosten bei etwa 9.000 US-Dollar liegen könnten.

Senator Tim Kaine erzählte von seinen eigenen Erfahrungen mit Long COVID. Er hat nur leichte Symptome, während sein Kollege Jim Inhofe so schwer darunter leidet, dass er von seiner Position zurücktrat. Kaine entschied sich, zusammen mit Inhofe und Young darüber zu berichten, denn

We didn’t like that you aren’t being believed. US senators get believed.

Tim Kaine in Minute 1:19:15 der Anhörung

Empfehlungen der betroffenen Personen

Alle drückten aus, dass sie Schwierigkeiten haben, passende ärztliche Hilfe zu finden. Frau Vázquez meinte:

I am heavily invested in PubMed and Google Scholar.

Angela Meriquez Vázquez in Minute 45:53 der Anhörung

Nicole Heim hatte folgende Forderungen:

  • Untersuchungswerkzeuge erschaffen, die Long COVID erkennen
  • Bewusstsein für Long COVID bei den Kinderärzten stärken
  • Telemedizin stärken (Manche müssen bis zur Bundesgrenze fahren und machen dort auf dem Parkplatz eine Arztsitzung, weil es in deren Heimatbundesland nicht erlaubt ist.)
  • Ausschuss soll sich mit Kliniken treffen und Anforderungen besprechen

Anhörung der Forscher:innen

Neben den betroffenen Personen waren auch Forscher:innen aus verschiedenen Gebieten eingeladen:

Michelle Harkins beschrieb ihre anfängliche Arbeit in der Intensivstation und den Wechsel zu Patient:innen, die unter Long COVID leiden.Sie kam mit drei Forderungen an den Ausschuss.

  1. Förderung der Forschung auf dem Gebiet
  2. Zugang zu klinischen Leistungen für Patient:innen erleichtern (Kliniken mit unterschiedlichen Disziplinen)
  3. Präventionsmaßnahmen (Impfungen)

Die Senatorin Lisa Murkowski kommt aus Alaska, wo sehr viele Stämme leben und es wenig Straßen gibt. Sie erkundigte sich nach der Versorgung im „ländlichen Raum“. Schon die betroffenen Personen oben klagten über stundenlange beschwerliche Anfahrten. Frau Harkins hatte hier nur den Rat, sich mit den Stämmen auseinander zu setzen und diese mit einzubinden. In Alaska scheint es Gesundheitszentren zu geben. Diese sollen mit eingebunden werden und auch Telemedizin nutzen.

Ziyad Al-Aly ist recht bekannt für seine Forschung und betonte dies auch bei seiner Rede. Er machte klar, dass Long COVID den gesamten Körper und unterschiedlichste Gruppen von Menschen beeinflusst. Die Krankheitslast durch Long COVID ist auf einer Stufe wie Herzkrankheiten oder Krebs.Bezüglich Prävention meinte er

There is actually no Long COVID without COVID.

Ziyad Al-Aly in Minute 1:56:00 der Anhörung

Damit meint er, Luftfilterung und nasale oder orale Impfstoffe. Diese sollten im besten Falle viele Jahre halten. Letzteres benötigt Forschung.

Weiterhin empfahl Al-Aly einen Blick in die Geschichtsbücher. Viele Erkrankungen führen zu chronischen Erkrankungen. Dieses Wissen sollte zu mehr Forschung führen.

Charisse Madlock-Brown machte den Zusammenhang zwischen Long COVID und ME/CFS klar. So treffen auf etwa 50% der Long-COVID-Patient:innen die Kriterien für ME/CFS zu. Sie nahm Bezug zu dem Cancer-Moonshot-Programm von Joe Biden und forderte Ähnliches für Long COVID: Im Rahmen dessen sollte es große Studien und Versuche mit Medizin geben, um schnelle Erfolge zu erzielen und Wissen zu generieren.

Tiffany Walker stellte sich als Internistin vor. Sie erzählte ebenfalls vom medizinischen und wirtschaftlichen Einfluss und forderte mehr Geld für die Forschung. Im letzten Jahr gab die Regierung 10 Mio. US-Dollar für Kliniken aus. Insgesamt 9 Kliniken sollten für fünf Jahre unterstützt werden. Dr. Walker machte klar, dass das ein guter Ansatz ist, aber die Kliniken dennoch unter der Last an Menschen fast zusammenbrechen. Wenn sie von 20 Mio. Betroffenen ausgeht, wird es schwer, diese in den vorhandenen Kliniken zu versorgen.

Abschluss

Die Anhörung war sehr interessant, wenn natürlich bezogen auf die Situation in den USA. Aber sowohl die Lage der betroffenen Personen ist auch hier in Deutschland ähnlich wie auch die Herausforderungen in der Forschung. Nach meinem Eindruck ist das die Vorbereitung für weitere Forschungsgelder. Aber bereits jetzt ist die Forschung in den USA deutlich besser ausgestattet als hier.

Weitere Berichte

Erster Tag beim 2. Long-COVID-Kongress in Jena

Am 24.11. und 25.11.2023 findet in Jena der 2. Long-Covid-Kongress statt. Ich habe die Chance ergriffen und nehme wieder daran teil. Unten findet ihr meine Eindrücke vom ersten Kongresstag.

Volkshaus mit Fahnen vom Long-Covid-Kongress Der Tag startete am Volkshaus bei eher mäßigem Wetter. Später sollte es sogar noch schneien.

Prof. Folke Brinkmann: Long COVID bei Kindern und Jugendlichen – wie ist der Stand der Forschung?

Nach der Anmeldung ging es innen mit Frau Prof. Dr. med. Folke Brinkmann. Sie gab einen Überblick zum Stand der Forschung bei Long COVID bei Kindern und Jugendlichen. Demnach wird bei Kindern eine Erkrankung als Post COVID bezeichnet, wenn

  • es eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus gab,
  • diese mindestens 2 Monate zurück liegt,
  • eines oder mehrere Symptome vorliegen, die es vorher nicht gab und
  • diese die Person relevant beeinträchtigen.

Die Häufigkeit der Krankheit (Prävalenz) wird in verschiedenen Studien sehr unterschiedlich angegeben und schwankte zwischen 1 und 50 %. Sie bezog sich dann auf Zahlen aus Dänemark. Diese gaben die Prävalenz mit Werten zwischen 2,5 und 3,5 % an. In der Diskussion wurde sie dann später gefragt, wie hoch sie die Werte jetzt schätzen würde und gab Werte zwischen einem und zwei Prozent an.

Die betroffenen Kinder leiden zumeist an Fatigue, Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit. Allerdings wurden auch weitere Beschwerden genannt.

Sie ging dann auf einen Faktor namens Long Lockdown ein. Demnach gab es auch nicht-infizierte Kinder, die ähnliche Symptome hatten. Diese wurden vermutlich durch das Fehlen des Soziallebens ausgelöst. Hier ist zu beobachten, dass diese verschwinden. Die „echten“ Long-COVID-Fälle bleiben.

Bei etwa 75 % der Kinder und Jugendlichen gehen die Symptome innerhalb eines Jahres zurück und bei nur wenigen bleibt das. Daher wurde die Begleitung der Betroffenen als eine der Hauptaufgaben genannt.

Prof. Dr. med. Uta Behrends: Long COVID und ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen

Uta Behrends war bei Video zugeschaltet und gab in ihrem Vortrag einen Einblick in die Thematik. So sah es so aus, als ob ME/CFS erst bei Jugendlichen ab 17 Jahren ein großes Thema wird. In den jüngeren Altersgruppen gab es recht geringe Zahlen. Später ging sie noch auf das Projekt COVID Kids Bavaria ein.

ME/CFS ist ein Grund für häufige und längere Abwesenheiten in der Schule. Die Lebensqualität der Betroffenen ist geringer und es gibt Anzeichen auf verkürzte Lebenserwartung. Als Grund wurden hier Kreislaufprobleme, Krebs und Suizid genannt.

Acrocyanosis in a male Norwegian POTS patient. The patient's legs appear red and purple due to the condition.
By Pots Syndrome – <a rel=“nofollow“ class=“external free“ href=“https://www.flickr.com/photos/193598842@N06/51347747471/“>https://www.flickr.com/photos/193598842@N06/51347747471/</a>, CC BY-SA 2.0, Link

Das Thema POTS (Posturales Tachykardiesyndrom) war ihr noch wichtig. Hier geht es um Menschen, die Problem bei Lageänderungen haben. Das heißt, sie stehen auf und der Kreislauf macht schlapp.Das Foto oben ist von der englischen Wikipedia-Seite zu POTS und zeigt ein ähnliches Bild, was auch zum Vortrag präsentiert wurde.

Als Maßnahmen wurden die 3P (Pacing, Planen, Priorisieren), Schlafhygiene und Atemübungen empfohlen.

Prof. Dr. med. Georg Schomerus: Stigmatisierung und Psychologisierung bei PCS

Prof. Schomerus führte in das Thema Stigma ein. Es gibt wohl einen Stigma-Prozess. Der führt von der Wahrnehmung und Benennung einer Normabweichung zu einer Zuschreibung von negativen Stereotypen. Schließlich reagieren Menschen darauf negativ und diskriminieren die Person oder Gruppe. Anhand eines Beispiels zeigte er, dass dies schon bei Post COVID zutrifft.

Betroffene wurden zu Stigmatisierung befragt und empfanden die meiste Stigmatisierung durch Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens.

Viele der Punkte, die im Vortrag genannt wurden, sind zunächst Theorien und es werden Studien dazu stattfinden, um mehr zu erfahren.

Weiteres

Ich habe dann noch ein paar mehr Vorträge besucht. Allerdings habe ich zu wenig Mitschriften und werde vielleicht später dazu berichten.

Einige Zeit habe ich benutzt, um mit Leuten zu sprechen. Da gibt es vielleicht in der nächsten Zeit noch mehr zu berichten. 🙂