Long-COVID-Situation in den USA

In den USA gibt es seit Anfang 2020 eine Umfrage, die versucht, den Einfluss der Corona-Pandemie zu messen: Household Pulse Survey. Die Daten der letzten Umfrage wurden kürzlich ausgewertet.

Etwa ein Viertel aller US-Amerikaner:innen berichten von Symptomen, die drei Monaten nach der Infektion noch anhalten. Die höchsten Raten werden aus Oklahoma (34,1%), Montana (33,8%) und Alabama (31,7%) berichtet, während Kalifornien (20,8%), Vermont und Washington D.C. (beide 16,5%) am unteren Ende der Skala liegen.

Von den Leuten, die über Long-COVID klagen, sagen etwa ein Drittel, dass sie das beim täglichen Leben einschränkt. Die Spanne geht dabei von über 50% in Hawaii bis zu 22,7% in Wyoming. Bei dem Bericht bin ich unsicher, ob diese Leute wirklich eine Teilmenge deren sind, die unter Symptomen leiden. Wenn man das aber annimmt, sind durchschnittlich mehr als 8% der Amerikaner:innen beim täglichen Leben eingeschränkt. Der höchste Anteil ist im Bundesstaat Mississippi mit 12,1%. Weiterhin recht hohe Werte mit über 10% der Bevölkerung haben North Dakota, Alabama, Hawaii, Arkansas, Oregon, West Virginia und Oklahoma. Auf der anderen Seite der Spanne Virginia, Minnesota, Washington D.C., Illinois, New York, Vermont und Maryland mit unter 5%.

BundesstaatLong-COVID-SymptomeEinschränkungen im täglichen LebenGesamtwert
Maryland21,624,75,34
Vermont16,532,45,35
New York21,624,85,36
Illinois22,824,85,65
Washington, D.C.16,534,85,74
Minnesota23,424,75,78
Virginia21,228,36,00
North Carolina23,326,86,24
New Jersey23,228,26,54
Rhode Island26,5256,63
Delaware2625,86,71
Wyoming29,722,76,74
Connecticut22,830,26,89
Massachusetts23,629,66,99
Colorado23,230,87,15
Missouri25,128,67,18
Alaska24,129,87,18
Pennsylvania22,831,87,25
Washington21,134,67,30
Ohio3024,47,32
Kentucky28,525,87,35
Nevada2431,17,46
California20,836,67,61
South Carolina2431,87,63
Kansas26,928,57,67
Florida27,627,87,67
Wisconsin24,331,67,68
Texas24,931,97,94
Michigan24,233,78,16
Arizona27,630,48,39
Iowa26,732,18,57
South Dakota29,529,18,58
Utah25,833,38,59
Maine23,536,68,60
Nebraska27,531,78,72
New Mexico25,534,48,77
New Hampshire24,336,38,82
Georgia22,939,28,98
Idaho27,233,59,11
Tennessee26,934,19,17
Louisiana25,337,69,51
Indiana28,734,79,96
Montana33,829,610,00
Oklahoma34,129,510,06
West Virginia29,434,510,14
Oregon25,141,510,42
Arkansas30,833,910,44
Hawaii21,150,810,72
Alabama31,733,910,75
North Dakota30,635,210,77
Mississippi27,244,612,13
Auswertung der Werte aus der Umfrage, rechte Spalte ist die Multiplikation der beiden Vorwerte.

Die Seite Nearly 1 in 4 American Adults Who Get COVID-19 Suffer From Long COVID hat noch einige mehr Zahlen und New study finds high number of Long COVID cases in Alabama geht auf die Situation in Alabama ein.

Anhörung zu Long COVID im US Senat

Am 18. Januar 2023 fand im Senat der Vereinigten Staaten eine Anhörung zu Long COVID statt. Unter der Leitung von Bernie Sanders sowie des Ranking Members Bill Cassidy kamen betroffene Personen und Forscher:innen im Ausschuss für Gesundheit, Bildung, Arbeit und Renten zu Wort. Die Videos dazu liegen auf der Seite „Addressing Long COVID: Advancing Research and Improving Patient Care„.

Ich habe versucht, einige Aspekte aufzuschreiben. Dabei können mir natürlich Fehler unterlaufen sein. Auf der obigen Seite gibt es ein Video, was ihr gern nachhören könnt.

Die Senatoren Cassidy (li.) und Sanders bei der Anhörung.

Zu Beginn machte Sanders klar, dass es sich hier um eine ernste Angelegenheit handelt. In den USA sind etwa 16 Millionen Menschen betroffen. Dabei sind solche mit niedrigem Einkommen und People of Color häufiger betroffen. Mehr als vier Millionen Menschen sind „out of work“ und er ging von einem Schaden in Höhe von 170 Milliarden US-Dollar aus.

Sein republikanischer Kollege Cassidy betonte, dass die USA schon mehr als eine Milliarde für Forschung ausgegeben haben und das Thema ernst nehmen.

Anhörung der betroffenen Personen

Nach der Einleitung sprachen drei Frauen.

  • Angela Meriquez Vázquez
  • Rachel Beale
  • Nicole Heim

Die beiden Erstgenannten sind selbst von Long- bzw. Post-COVID betroffen. Frau Heim war als Mutter einer betroffenen Tochter vor Ort.

Krankheitsbilder

Frau Vázquez war schon im März 2020 positiv. Ihre Erkrankung verschlimmerte sich über die Zeit immer mehr und seit nunmher fast vier Jahren leidet sie daran. Im Oktober 2023 wurde der Podcast „The Long Haul of Long Covid — ITT Episode 19“ ausgestrahlt. Dort erzählt etwas mehr über ihre Situation. Sie hat eine Krankenversicherung und dennoch mehr als 4.000 US-Dollar für Behandlungen ausgegeben, die die Krankenkasse nicht tragen wollte. Die Erkrankung bei Rachel Beale startete im März 2021 und äußerte sich durch Fieber und Schmerzen. Mittlerweile hat sich ihre Lage auch verschlimmert. Sie hat eine Fibromyalgie entwickelt, hat Fatigue, Schmerzen und Belastungsintoleranz (PEM). Bezüglich der Kosten und des zeitlichen Aufwands machte sie ähnliche Erfahrungen. Schließlich erzählte Nicole Heim von der Erkrankung ihrer Tochter. Im September 2021 infizierte sie sich.Als sie dann wieder in der Schule war, rief diese die Mutter an, weil die Tochter kurzatmig war und einen extrem hohen Puls hatte. Frau Heim fand es gut, dass ihre Tochter im Medicaid-Programm ist. Dadurch gab es bei ihr keine finanziellen Probleme. Im allgemeinen gibt es Untersuchungen, die annehmen, dass die jährlichen Kosten bei etwa 9.000 US-Dollar liegen könnten.

Senator Tim Kaine erzählte von seinen eigenen Erfahrungen mit Long COVID. Er hat nur leichte Symptome, während sein Kollege Jim Inhofe so schwer darunter leidet, dass er von seiner Position zurücktrat. Kaine entschied sich, zusammen mit Inhofe und Young darüber zu berichten, denn

We didn’t like that you aren’t being believed. US senators get believed.

Tim Kaine in Minute 1:19:15 der Anhörung

Empfehlungen der betroffenen Personen

Alle drückten aus, dass sie Schwierigkeiten haben, passende ärztliche Hilfe zu finden. Frau Vázquez meinte:

I am heavily invested in PubMed and Google Scholar.

Angela Meriquez Vázquez in Minute 45:53 der Anhörung

Nicole Heim hatte folgende Forderungen:

  • Untersuchungswerkzeuge erschaffen, die Long COVID erkennen
  • Bewusstsein für Long COVID bei den Kinderärzten stärken
  • Telemedizin stärken (Manche müssen bis zur Bundesgrenze fahren und machen dort auf dem Parkplatz eine Arztsitzung, weil es in deren Heimatbundesland nicht erlaubt ist.)
  • Ausschuss soll sich mit Kliniken treffen und Anforderungen besprechen

Anhörung der Forscher:innen

Neben den betroffenen Personen waren auch Forscher:innen aus verschiedenen Gebieten eingeladen:

Michelle Harkins beschrieb ihre anfängliche Arbeit in der Intensivstation und den Wechsel zu Patient:innen, die unter Long COVID leiden.Sie kam mit drei Forderungen an den Ausschuss.

  1. Förderung der Forschung auf dem Gebiet
  2. Zugang zu klinischen Leistungen für Patient:innen erleichtern (Kliniken mit unterschiedlichen Disziplinen)
  3. Präventionsmaßnahmen (Impfungen)

Die Senatorin Lisa Murkowski kommt aus Alaska, wo sehr viele Stämme leben und es wenig Straßen gibt. Sie erkundigte sich nach der Versorgung im „ländlichen Raum“. Schon die betroffenen Personen oben klagten über stundenlange beschwerliche Anfahrten. Frau Harkins hatte hier nur den Rat, sich mit den Stämmen auseinander zu setzen und diese mit einzubinden. In Alaska scheint es Gesundheitszentren zu geben. Diese sollen mit eingebunden werden und auch Telemedizin nutzen.

Ziyad Al-Aly ist recht bekannt für seine Forschung und betonte dies auch bei seiner Rede. Er machte klar, dass Long COVID den gesamten Körper und unterschiedlichste Gruppen von Menschen beeinflusst. Die Krankheitslast durch Long COVID ist auf einer Stufe wie Herzkrankheiten oder Krebs.Bezüglich Prävention meinte er

There is actually no Long COVID without COVID.

Ziyad Al-Aly in Minute 1:56:00 der Anhörung

Damit meint er, Luftfilterung und nasale oder orale Impfstoffe. Diese sollten im besten Falle viele Jahre halten. Letzteres benötigt Forschung.

Weiterhin empfahl Al-Aly einen Blick in die Geschichtsbücher. Viele Erkrankungen führen zu chronischen Erkrankungen. Dieses Wissen sollte zu mehr Forschung führen.

Charisse Madlock-Brown machte den Zusammenhang zwischen Long COVID und ME/CFS klar. So treffen auf etwa 50% der Long-COVID-Patient:innen die Kriterien für ME/CFS zu. Sie nahm Bezug zu dem Cancer-Moonshot-Programm von Joe Biden und forderte Ähnliches für Long COVID: Im Rahmen dessen sollte es große Studien und Versuche mit Medizin geben, um schnelle Erfolge zu erzielen und Wissen zu generieren.

Tiffany Walker stellte sich als Internistin vor. Sie erzählte ebenfalls vom medizinischen und wirtschaftlichen Einfluss und forderte mehr Geld für die Forschung. Im letzten Jahr gab die Regierung 10 Mio. US-Dollar für Kliniken aus. Insgesamt 9 Kliniken sollten für fünf Jahre unterstützt werden. Dr. Walker machte klar, dass das ein guter Ansatz ist, aber die Kliniken dennoch unter der Last an Menschen fast zusammenbrechen. Wenn sie von 20 Mio. Betroffenen ausgeht, wird es schwer, diese in den vorhandenen Kliniken zu versorgen.

Abschluss

Die Anhörung war sehr interessant, wenn natürlich bezogen auf die Situation in den USA. Aber sowohl die Lage der betroffenen Personen ist auch hier in Deutschland ähnlich wie auch die Herausforderungen in der Forschung. Nach meinem Eindruck ist das die Vorbereitung für weitere Forschungsgelder. Aber bereits jetzt ist die Forschung in den USA deutlich besser ausgestattet als hier.

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