Zweiter Tag beim 2. Long-COVID-Kongress in Jena

Am zweiten Tag gab es bereits früh morgens einen interessanten Track zu Gesundheitsökonomie und Epidemiologie. Der Track begann jedoch um 8:30 Uhr und das ist weder nerd- noch familienfreundlich. 🙂

So war der Start in den zweiten Kongresstag der Vortrag mit dem Titel Wie kann die Politik die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verbessern? vom FDP-Politiker Robert Martin Montag. Bereits in seinen ersten Worten kündigte er an, nichts zum eigentlichen Thema zu sagen. Dafür nahm er sich dann auch deutlich mehr als die geplanten 15 Minuten Zeit. Inhaltlich ging es um die Erfolge, die die FDP im Landtag angeblich erzielt hat.

Dr. med. Sandra Stengel: Rolle der Hausarztpraxis in der Versorgung von Long-/ Post-COVID – ein Mehrperspektivenblick

Frau Stengel ging in ihrem Vortrag auf die Hausarztpraxen ein und so gingen auch viele Hände hoch, als nach Hausärzt:innen im Publikum gefragt wurde. Sie verwies auf

als Informationsquellen. Dabei legte sie insbesondere einen Schwerpunkt auf die S3-Leitlinie zur Müdigkeit.

Neben weiteren Punkten diskutierte sie schließlich drei Fallbeispiele. Hier war deutlich die Bandbreite an Symptomen und Behandlungen zu sehen. In zwei der Fälle konnten Erfolge erzielt werden. Ein Lehrer kehrt in den Beruf zurück und eine Frau ist wieder in der Lage mehrere Kilometer spazieren zu gehen und scheint sich generell zu verbessern. Lediglich im letzten Fall war es so, dass am Ende die Behandlung abgebrochen wurde. Dies lag im Wesentlichen daran, dass die Patientin bettlägerig war und der Großteil der Kommunikation nur über Dritte lief. Hier wäre etwas wie die Jenaer WATCH-Studie hilfreich. Dort fährt ein Bus in die ländlichen Regionen und betreut die Menschen vor Ort.

Auf dem Kongress traf ich auch eine Teilnehmerin an der WATCH-Studie. Sie erzählte mir stolz von dem Bus, der in ihrem Ort hielt, wie sie an der Studie teilnahm und zeigte mir das Wearable, was sie im Rahmen der Studie bekam.

apl. Prof. Dr. phil. Christian Puta: PEM verstehen – Implikationen für individuelle Rehabilitationen

PEM war ein Thema, an dem sehr viele der Teilnehmer:innen ein Interesse haben. Ich wurde auch auf Mastodon direkt darauf angesprochen.

PEM steht für Post-Exertional Malaise. Wenn man das Wort auseinandernimmt, finden sich drei Bestandteile

  • Post: nach, danach
  • Exertion: Verbrauch von Energie
  • Malaise: Unwohlsein

Man könnte es als Unwohlsein nach dem Verbrauch von Energie beschreiben. Im Deutschen wird häufig von Zustandsverschlechterung nach Belastung gesprochen.

Christian Puta erklärte zu Beginn seines Vortrages den Begriff des Pacings. Da dies ein zentrales Konzept ist. Im Sport wird beispielsweise die Zeit, die pro Kilometer benötigt werden, als Pace bezeichnet. Das ist also der umgekehrte Wert zur Geschwindigkeit (km pro Zeit). Das Ziel ist nun, bei den betroffenen Personen eine solche Pace zu finden, die eben kein PEM, also einen Crash, auslöst.

Die Studie Characterizing long COVID in an international cohort: 7 months of symptoms and their impact von Davis HE, Assaf GS, McCorkell L, et al. gibt einen Hinweis auf die Auslöser von PEM. Demnach sind das hauptsächlich Stress und körperliche Übungen. Hier gab es auch nochmal einen Verweis auf Reha-Maßnahmen. Dort ist sehr häufig Sport eine der oft genutzten Maßnahmen.

Ein weiterer Schwerpunkt war es, ein Verständnis für die Energiegewinnung und -nutzung im Körper zu erhalten. Puta erklärte die sehr kurzfristige Zurverfügstellung von ATP über Kreatinphosphat sowie die anaerobe sowie aerobe Glykolyse. Menschen mit Post-COVID können sich häufig kurzfristig belasten, aber eben nicht langfristig. Dies ist ein Hinweis, dass es Probleme bei der aeroben Glykolyse gibt.

Beim Umgang mit PEM wurden vier Komponenten genannt:

  1. Energiequotient: Nach einer persönlichen Einschätzung soll die verfügbare Energie auf einer Skala von 0 bis 100 in der letzten Woche angegeben werden. Weiterhin soll auch die verbrauchte Energie angegeben. Es wird dann der Quotient aus verbrauchter und verfügbarer Energie berechnet. Im Allgemeinen sollte es so sein, dass verfügbare Energie größer oder gleich der verbrauchten ist. Ist letztere größer, besteht die Gefahr von PEM oder eines Crashs.
  2. Energierahmen: Der Energierahmen hängt von Faktoren wie Stress, Körperlage und anderen ab.
  3. Tägliche Routinen: Beim Umgang mit PEM sollte auf viel Erholung geachtet werden, Tätigkeiten sollten langsam ausgeführt werden und diese sollten über den Tag verteilt werden.
  4. Erholungs- und Belastungsmonitoring: Dabei sollte der Puls, die BORG-Skala und der MET-Wert beachtet werden. Der Puls könnte über Fitnesstracker oder ähnliche Geräre erhoben werden. Rechner für den Maximalpuls existieren ebenso. Die BORG-Skala ist ein Maß für die Anstrengung, die man selbst wahrnimmt. MET steht für metabolisches Äquivalent. Die englische Wikipediaseite hat eine gute Tabelle dazu.

Das Pacing, was hier vorgeschlagen wurde, umfasst mehrere Phasen. Im Vortrag wurde jedoch nur eine besprochen. Es beginnt mit einer Atemübung. Vorgemacht wurde das Cyclic Sighing. Allerdings eignen sich auch andere. Dabei ist es wichtig, dass die Ausatemphase länger als die Einatemphase ist. Danach folgt eine sechs- bis zehnminütige Übung. Diese ist immer in Sequenzen von 30 Sekunden Übung und zwei Minuten Erholung aufgeteilt. Diese sollte bei 50% der maximalen Herzfrequenz erfolgen. Der Rechner zeigt diese Werte mit an. Beendet wird die Pacing-Phase mit einer Meditation.

Insgesamt sollte die erste Phase bei einer Herzfrequenz von 50% des Maximums sein. Die BORG-Skala sollte bei 6-8 liegen und der MET-Wert bei 2,5. Diese Phase wird 3–6 Wochen so durchgeführt. Wenn das toleriert wird, kann man das Training langsam intensivieren. Dabei liegt die Betonung wirklich auf langsam.

In einer späteren Session wurde auch nochmal betont, dass es sehr viele Long-COVID-Patient:innen gibt, die sehr motiviert sind und zu viel wollen. Daher besteht die Aufgabe recht häufig darin, das Tempo rauszunehmen.

Weiterer Kongress

Den Rest des Tages habe ich dann mit Gesprächen verbracht. Hier und da war ich auch noch in Vorträgen und bei der Postersession. Mit einigen Leuten habe ich mich zu späteren Terminen vereinbart. Daher besteht gute Hoffnung, dass die Website weiter mit Inhalten gefüllt werden wird.

Insgesamt war der Kongress wieder eine gute Möglichkeit, sich mit Fachleuten auszutauschen und mit Betroffenen zu sprechen. Ich hoffe, dass ich auch im nächsten Jahr wieder teilnehmen kann.

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